Stress entsteht ganz allgemein abhängig davon, welche Anforderungen von außen auf die eigenen Ressourcen treffen. In solchen stressigen Situationen hofft man oft auf „bessere Zeiten“, die mehr Freiräume lassen. Es kann sich aber auch ein Gefühl der Hilflosigkeit einstellen, da man nur begrenzt Einfluss auf die Anforderungen von außen hat. Beispielsweise kann man von anderen Personen festgesetzte Deadlines, kurzfristige Anfragen von Vorgesetzten oder gesetzliche Regularien kaum beeinflussen. Oft sind schnelle Veränderungen nicht zu erwarten. Insofern ist es wünschenswert, selbst etwas an der Situation verändern zu können.
Ein Ansatz ist das sogenannte „Job Crafting“. Unter Job Crafting versteht man, die Arbeit selbst so zu gestalten, dass sie den eigenen Vorstellungen und Fähigkeiten möglichst gut entspricht. Damit ist die Nutzung der eigenen Gestaltungsspielräume gemeint, ohne dass jemand anderes, z. B. die/der Vorgesetzte, die Veränderungen anstößt. So wird man aktive/-r Gestalter/-in der eigenen Arbeitsbedingungen. Man nimmt das „Schicksal“ selbst in die Hand. Job Crafting ist also eine primäre Stressintervention, die eingesetzt wird, bevor der Stress überhaupt entsteht. Der Begriff stammt aus der Auswertung einer qualitativen Interviewstudie von Wrzesniewski und Dutton (2001).
Durch Job Crafting sollen die eigenen Arbeitsanforderungen besser mit den persönlichen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Stärken in Einklang gebracht werden. Menschen, die Job Crafting aktiv betreiben, können es schaffen, die Arbeitsanforderungen und die persönlichen Fertigkeiten so aufeinander abzustimmen, dass damit die eigene Anpassungsfähigkeit, das psychische Wohlbefinden und das Arbeitsengagement steigen (Donaldson, Lee, & Donaldson, 2019).
Schon kleine Veränderungen können große Effekte haben: Vielleicht wünscht man sich ein bisschen mehr Austausch mit den Kolleg/-innen oder eine etwas abwechslungsreichere Arbeitstätigkeit.
Andere Veränderungen, die man im Sinne des Job Craftings selbst anstößt, könnten beispielsweise auch sein, dass man weniger oder andere Aufgaben übernimmt, sich häufiger von Kolleg/-innen Feedback einholt oder versucht, viele unübersichtliche Einzelaufgaben zu größeren Arbeitspaketen zusammenzufassen.
Es gibt also unzählige verschiedene Möglichkeiten, Job Crafting zu betreiben. Es hängt sehr von der jeweiligen Arbeit und der eigenen Persönlichkeit ab, wo man ansetzen kann und möchte.
Die vier Job Crafting-Strategien
Nach Timms, Bakker und Derks (2011) werden vier verschiedene Strategien des Job Craftings unterschieden:
1 |
Strukturelle Ressourcen vergrößern |
Darunter fällt, sich selbst Lernmöglichkeiten zu suchen, um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern, aber auch das bewusste Schaffen von Freiräumen, indem man seine Arbeit z. B. anders organisiert. |
2 |
Soziale Ressourcen vergrößern |
Man kann aktiv nach Feedback suchen oder Teammitglieder/-innen als Lernquelle betrachten, indem man sich gezielt Dinge von ihnen abschaut und so die eigene Arbeit optimiert. |
3 |
Herausfordernde Anforderungen vergrößern |
Ein Beispiel für diese Strategie ist, Verantwortung für ein interessantes Projekt zu übernehmen, das nicht unbedingt in den eigenen Zuständigkeitsbereich fällt. Man kann aber auch eigeninitiativ nach neuen Aufgaben suchen, anstatt darauf zu warten, bis einem andere (vielleicht weniger attraktive) Aufgaben zugeteilt werden. |
4 |
Hinderliche Anforderungen reduzieren |
Gemäß dieser Strategie sollte man kognitiv, emotional oder sozial belastende Tätigkeiten reduzieren, soweit dies möglich ist. Ein anderes Beispiel ist das klare Setzen von Grenzen gegenüber Kolleg/-innen. |
Allerdings sind nicht alle Strategien gleich effektiv zur Stressprävention. Diese vier Strategien kann man in zwei Gruppen einteilen: Die Strategien 1 bis 3 (d.h. Strukturelle Ressourcen vergrößern, Soziale Ressourcen vergrößern und Herausfordernde Anforderungen vergrößern) sind von einer Annäherungsorientierung geprägt, also dem Aufsuchen von neuen Gelegenheiten. Dahingegen ist die Strategie 4 von einer Vermeidungsorientierung geprägt. Eine Meta-Analyse von Lichtenthaler und Fischbach (2019), die 132 Einzelstudien zu dem Thema Job Crafting zusammenfasst, deutet darauf hin, dass nur die annäherungsorientierten Strategien (d.h. Strategien 1 bis 3) empfehlenswert sind: Während Strategien 1 bis 3 das Burnout-Risiko reduzieren, wird es durch Strategie 4 sogar gesteigert.
Verschiedene Arten des Craftings
Das Konzept des Job Crafting wurde inzwischen in verschiedene Richtungen erweitert. Neuere Forschung ergab bereits, dass man nicht nur bei der Arbeit Crafting-Strategien anwenden kann. Einige Beispiele für andere Crafting-Arten sind Leisure Crafting, Home Crafting sowie Work-Life-Balance Crafting.
Leisure Crafting meint, die Freizeitaktivitäten so zu wählen, dass sie möglichst gut den eigenen Bedürfnissen entsprechen.
Home Crafting bezieht sich auf die proaktive Gestaltung des privaten Lebensbereichs im Sinne der eigenen Bedürfnisse.
Mit Work-Life-Balance Crafting wird die bewusste Gestaltung der Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem passend zu den eigenen Bedürfnissen bezeichnet.
Es gibt also in unterschiedlichen Lebensbereichen Möglichkeiten, die Umstände so zu gestalten, dass sie im Sinne der eigenen Bedürfnisse sind. Damit lösen sie weniger Stress aus.
Mit dem eigenen Job Crafting kann man sich auch im „Einfach-weniger-Stress“-Onlinekurs auseinandersetzen.